Stefan Rühlmann

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Auf dieser Seite werde ich in regelmäßigen Abständen Ausschnitte meiner Bücher, Geschichten oder auch Bilder, wenn sie gerade entstehen, einstellen.

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10.03.2017

Seemannsgarn - meine Zeit auf See - Teil 15

Nachdem wir unser Geld hatten, beschlossen wir, am Abend in eine Diskothek zu gehen, die ganz in der Nähe des Hafens lag. Die Betonung in diesem Fall soll auf dem Wörtchen „gehen“ liegen, denn als wir Abends aus dem Hafentor gingen, standen unsere Rikscha-Fahrer vor dem Hafentor. Wir sagten ihnen, dass wir zur Disko wollten und die paar Meter zu Fuß gehen würden. Das war nicht das, was die Fahrer hören wollten, es gab ein Mordsgeschrei, jeder zog an uns herum, versuchte uns, in „unsere“ Rikscha zu ziehen, fast wäre es eine Prügelei geworden, aber wir waren sehr zurückhaltend. Alle hatten noch das gezückte Messer vom zweiten Tag vor Augen…

Für uns Europäer war das völlig unverständlich, warum die uns nicht einfach die paar Meter laufen lassen wollten. Ich fragte daraufhin „meinen“ Fahrer, was es damit auf sich hätte. Immerhin hatten wir ja auch noch nicht einmal für unser Fahren zahlen müssen. Mein Fahrer meinte daraufhin, dass es gegen die Ehre eines Rikscha-Fahrers wäre, seine persönliche Stammkundschaft laufen zu lassen. Wenn dies passieren würde, dann müssten wir sofort zahlen und er würde nie wieder für mich fahren. Und niemand würde je wieder für mich fahren… Ich müsste seine Dienste bis zum 26. in Anspruch nehmen.
Woher wusste der eigentlich, wann wir auslaufen würden? Dieses Datum war selbst bei uns an Bord noch keinem bekannt.

Zumindest haben wir uns die 200 Meter bis zur Diskothek fahren lassen. Und ich hatte meinem Fahrer noch gesagt, dass ich zwischen 23:00 Uhr und 04:00 Uhr wieder nach Hause, auf unser Schiff wollte… Mal sehen, ob er das auch noch so „witzig“ fand und warten würde…
Die Diskothek selber war eigentlich ein großer Saal, zu allen Seiten offen, in der Mitte eine Tanzfläche und dann noch an der Seite irgendwo ein Tresen, die Diskokugel in der Mitte nicht zu vergessen. Als wir hineingingen, spürten wir alle Blicke auf uns gerichtet. Klar, wir waren in dem Alter wie die anderen Besucher – aber augenscheinlich nicht asiatischer Herkunft. Und das brachte uns eine Menge Aufmerksamkeit der weiblichen Diskobesucher ein.

Was mich damals im ersten Moment überraschte, waren die Mädels – aber auch Jungs – die nicht typisch asiatisch aussahen. Mir fiel dann ziemlich schnell ein, dass in der Zeit, als ich geboren wurde, in Vietnam Krieg tobte. Und diese Jugendlichen, die unser Alter hatten, waren Kinder von amerikanischen Soldaten und vietnamesischen Frauen. Jedenfalls wurde unser Diskobesuch ein voller Erfolg, wenn man ihn aus den Augen von heranwachsenden Jugendlichen betrachtet: Wir hatten Geld, für vietnamesische Verhältnisse waren wir so richtig reich. Wir konnten Drinks ausgeben ohne dass wir dafür wirklich viel investieren mussten. Und genau das taten wir, mit der entsprechenden Wirkung auf das weibliche Publikum. Sicherlich waren wir ja in dieser Disko auch äußerlich etwas anders, als die anderen.
Wir tanzten die ganze Nacht durch, flirteten, tanzten, flirteten weiter und gaben einen Drink nach dem anderen aus. Ich weiß noch, dass mir irgendwann ein Mädchen auffiel, deren Vater ganz offensichtlich ein afroamerikanischer Soldat gewesen war. Auf Grund meines wiedergewonnenen Selbstvertrauens nahm ich meinen Mut zusammen, sprach sie direkt an und hatte einen wunderschönen Abend. Die Nacht wurde dann noch viel schöner…

Ich denke mal, so einen Abend hat keiner von uns jemals vorher oder hinterher in Deutschland erleben dürfen. Wir waren die Helden, wenn auch nur sehr kurz.

Im Übrigen hatte ich mich damals mit dem jungen Mädchen „danach“ noch die halbe Nacht unterhalten. Ihr Vater war tatsächlich ein Soldat der amerikanischen Armee gewesen, sie zeigte mir auch ein vergilbtes Foto von ihm. Ihre Mutter hatte wohl in der amerikanischen Botschaft gearbeitet, als was (und ob das stimmte) kann ich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls soll ihr Vater im Krieg gefallen sein. Sie erzählte mir noch von der Zeit nach dem Krieg, als sie in Saigon groß wurde. Es war kein Zuckerlecken für ein Kind, dessen Vater in den Augen der Gewinner des Krieges der Feind gewesen war und dessen Mutter für den Feind gearbeitet hatte. Aber gibt es in einem Krieg überhaupt Gewinner?

Sicherlich nie unter den Kindern.

Als ich am nächsten Morgen wieder zum Hafen zurück wollte, stand übrigens mein Rikscha-Fahrer vor der Tür am Haus des Mädchens…

Admin - 20:07 @ Seefahrerei | Kommentar hinzufügen