Stefan Rühlmann

Bücher und Zeichnungen

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Auf dieser Seite werde ich in regelmäßigen Abständen Ausschnitte meiner Bücher, Geschichten oder auch Bilder, wenn sie gerade entstehen, einstellen.

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24.10.2016

Seemannsgarn - meine Zeit auf See - Teil 2

An Bord empfing uns unser Lehrbootsmann, ein aus meiner damaligen Sicht älterer Herr, der uns „unterrichten“ sollte, an die Hand nehmen, könnte man auch dazu sagen. Im Nachhinein war er ein guter Kerl!

Am selben Abend, als wir auf „unserem“ Schiff angekommen waren, beschlossen wir, uns Hamburg anzusehen. Sicherlich vermutet jetzt niemand, dass sich 17-jährige Bengels den Markt und das Rathaus anschauen wollten. Wir gingen eher zielgerichtet nach St. Pauli.

Mir als Kind vom Dorf, das aus dem Osten unseres schönen Vaterlandes stammte, bannte die ganze Reklame auf der Reeperbahn, die Nutten, das Flair, das Geschrei, ein wahres Staunen ins Gesicht. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir sieben (einer wollte nicht recht mit) unsere Köpfe kaum stillhalten konnten, links, rechts, überall Lichter, Geschrei, Betrunkene, Frauen, die sich anboten, aber auch adrett gekleidete Herren. Das muss man uns auch angesehen haben, wir blieben wie gebannt vor einer Lokalität stehen, vor der ein Ausrufer oder Türsteher lauthals schrie: „Ficken, Bumsen, Blasen, alles life auf der Bühne, kommen Sie herein, F…“ Und so weiter.

Alles life auf der Bühne? Wir Jungs aus den Dörfern waren begeistert, wobei wir wohl fast alle nur „vom erzählen her“ wussten, was dieser Typ meinte. Wir waren eben die Unschuld vom Lande, zumindest ich ganz sicher.
Und ich war begeistert, von dem, was uns dieser etwas schmierig aussehende Typ da versprach. Also, kurzer „Ich-möchte-gern-Matrose-sein-Kriegsrat“ und wir sieben waren uns einig, dieses Schauspiel nicht verpassen zu wollen. So sind wir hin zu dem Ausrufer.
„Seid ihr denn schon 18, Jungs?“
„Klar, schon fast 19.“
„Alles klar, also passt auf, ihr geht drinnen in die erste Reihe und wenn ich vorbeikomme, dann verschwindet ihr hinter die Bühne, rechts daran vorbei, dann steht ihr auf dem Hinterhof. Von da findet ihr Euch allein wieder raus. Ich krieg von jedem von Euch 15 Mark, ihr kriegt dafür ein Bier auf Kosten des Hauses. Alles klar?“
Nicken.
Der Typ bekam 15 Mark – jetzt wären es ungefähr 7,50 Euro – und er ließ uns passieren.

Wir betraten einen schummrigen „Laden“, vielleicht ist es auch gut so gewesen, dass es eher sehr dunkel war, sonst hätte ich bis zum heutigen Tag irgendwelche sexuellen Störungen. Der Laden hatte kleine Runde Tische, um die Stühle standen und eine Bühne. Wir sahen beim hereingehen gerade noch, wie eine Frau ihre Klamotten aufsammelte und hinter dem Vorhang verschwand. Dann kam eine ältere, oder eher schon alte, Dame und brachte uns unser versprochenes Bier. Klasse, ein Bier umsonst!

Augenblicke später – und ich werde meinen Schock nie vergessen – kam eine dunkelhäutige Frau auf die Bühne, kein Lächeln auf den Lippen, wie ich es erwartet hatte und bestimmt schon so an die fünfzig Jahre alt. Gelangweilt schaute sie in den Zuschauerraum und fing an, sich zu einer schmalzigen Melodie zu entkleiden. Ohne sich aufreizend zu rekeln oder so. Die stand da und ließ einfach ein Kleidungsstück nach dem anderen zu Boden fallen, völlig lieblos. Auch hatte sie schon einen Bauch. Ganz schön sogar, aber der wurde dann durch ihre Brüste verdeckt, als sie ihren BH ausgezogen hatte.

Ich war enttäuscht. Oder erschüttert. Ich weiß es nicht mehr.
Bevor diese Dame ihre Klamotten zusammensuchen konnte, kam der Barkeeper zu uns und meinte ganz aufgeregt, wir sollten verschwinden. Geistesgegenwärtig schnappte ich mir meine noch nicht einmal angetrunkene Flasche Bier und wir sieben verschwanden hinter der Bühne und kamen auf einem vermüllten Hinterhof raus. Links war ein Bretterzaun, der eine Tür hatte, durch die wir in irgendeiner Hintergasse in St. Pauli rauskamen. Aber eines hatten wir alle: Jeder sein Bier und wir lehnten uns an eine Mauer, prosteten uns zu – das teuerste Bier meines Lebens…

Warum die Frau sich auf der Bühne auszog, war mir damals genauso egal, wie der Typ ein paar Meter weiter, der sich gerade eine Spritze in den Arm stach. Traurig eigentlich.

Am nächsten Tag liefen wir in Richtung Südostasien aus.

Admin - 19:57 @ Seefahrerei | Kommentar hinzufügen

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