Stefan Rühlmann

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Auf dieser Seite werde ich in regelmäßigen Abständen Ausschnitte meiner Bücher, Geschichten oder auch Bilder, wenn sie gerade entstehen, einstellen.

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26.10.2016

Seemannsgarn - meine Zeit auf See - Teil 3

Ich war beim Auslaufen, so komisch das vielleicht für einen Außenstehenden klingen mag, mit meinem Lehrbootsmann auf der Back, also dem vordersten Teil des Schiffes, beschäftigt. Mir ist noch heute bewusst, wie er mich ansah, als wir unter den Elbbrücken von Hamburg entlangfuhren und ich staunend nach oben blickte.

„Das erste Mal Auslaufen ist immer was ganz besonderes.“ Soweit sein Kommentar dazu. Ob das Babys auch dachten …?

Nachdem wir die Straße von Dover passierten, meinten die alten Matrosen zu uns, dass wir jetzt in die Biskaya kommen würden und da wäre der Seegang so stark, dass wir nach Hause schreiben würden, dass Seefahrt zum „Kotzen“ wäre. Naja, die Biskaya war absolut still und so mussten wir nicht ausprobieren, ob die Seefahrerei vielleicht doch „zum Kotzen“ sein könnte.

In diesen Tagen schrieb ich wirklich meinen ersten Brief nach Hause, zu meinen Eltern, aber auch zu einem Mädchen, was ich kurz vor Beginn der Reise kennengelernt hatte. Mir war damals bewusst, dass ich zu einer langen Reise aufgebrochen bin, daher war ich, realistisch denkend, davon ausgegangen, dass ich mit ihr nicht wirklich alt werden würde, um es einmal so auszudrücken. Ich glaubte, dass ich irgendwann einen Brief bekommen würde, in dem sie mir mitteilt, dass sie einen anderen hat. Aber egal, ich war ja noch jung…

Wir fuhren durch die ruhige Biskaya, der Straße von Gibraltar, dem Mittelmeer und kamen irgendwann vormittags vor Port Said an. Port Said ist der Ausgangspunkt für einen Transit durch den Suezkanal, jener Kanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet und der Schifffahrt die Umfahrung von Afrika erspart.

Vor Port Said lagen wir einen halben Tag auf Reede und sollten anschließend ‚an den Tonnen‘ festmachen. Auf Reede bedeutet in etwa, dass man auf einem im Meer liegenden Parkplatz wartet, bis man dran ist. Und ‚an den Tonnen‘ bezeichnet einen Liegeplatz, an dem sich der Konvoi sammelt, um den Transit durch den Suezkanal gemeinsam zu beginnen.

Als wir zu den Tonnen fuhren, sollten wir Auszubildenden auf dem Achterschiff, dem kleineren Aufbau, den es dort gab, zuschauen, wie ein Schiff festgemacht wird. Wir acht und unser Lehrbootsmann standen also an der Reling, also dem Geländer und schauten von oben herab zu, wie unsere alten Matrosen die Leinen an die Schlepper übergaben, wie wir zu den Tonnen geschleppt wurden und wie wir festgemacht werden sollten. Die Tonnen waren am Meeresgrund verankerte Festmacherpunkte zum Anlegen der Schiffe.

Jedenfalls, als die Leinen den kleineren Booten übergeben wurden, gab es ein riesiges Geschreie von Seiten der ägyptischen Festmacher und unseren Leuten. Ich war ziemlich erschüttert, Worte wie Motherfucker waren das Harmloseste, was mir zu Ohren kam. Die Ägypter wollten uns an einer Tonne festmachen, aber unsere Leute waren der Meinung, an einer anderen Tonne festgemacht zu werden. Warum diese „Diskrepanz“ bestand, war mir damals völlig unklar. Jedenfalls gab es ein großes Geschrei und Beschimpfungen auf beiden Seiten. Naja, die ägyptischen Beschimpfungen konnte ich nicht wirklich verstehen.

Mit einem Mal erhob mein Kollege, auch ein Auszubildender wie ich, seine Stimme. Lautstark schrie er irgendwas in einer mir fremden Sprache hinunter zu den Festmachern in ihren Booten. Es war augenscheinlich eine arabische Sprache, die er hinunter schrie. Ich sah ihn an, mit einem Schlag wurde es still. Sowohl die Festmacher als auch unsere Leute schauten zu uns hinauf. Keiner sagte mehr irgendetwas.

Die Festmacher fingen an zu lachen, drehten ihre kleinen Boote und machten uns an der Tonne fest, die unsere Leute eigentlich wollten. Die alten Matrosen bei uns an Bord sahen immer noch zu meinem Kumpel auf, sagten kein Wort. Wahrscheinlich war das meinem Kumpel ein bisschen unheimlich, er sah hinunter, zuckte mit den Schultern „Es sollte doch die rechte Tonne sein, oder?“

In dem Moment brachen alle von uns in schallendes Gelächter aus, er hatte einfach nur in Arabisch gesagt, was unsere Leute wollten. Hinterher hat sich herausgestellt, dass er, also mein Kumpel und Mitauszubildender, in Ägypten als Kind eines Botschaftsangestellten groß geworden war und somit der Sprache mächtig gewesen ist.

Naja, soviel zum Thema Völkerverständigung.

Admin - 19:16 @ Seefahrerei | Kommentar hinzufügen